1.1.2. Erste Anwendungen der Druckluft


Wasserorgel
Bevorratung und Pulsationsdämpfung


Die erste bewußte Ausnutzung der Kraft in der Luft ist uns von dem Griechen Ktesibios (ca. 285 bis 222v.Chr.) überliefert. Er baute eine Wasserorgel und nutzte die Druckluft zur Bevorratung und zur Verringerung von Schwankungen.



Bild 1.3: Das Katapult des Ktesibios
Katapult
Speicherung von Energie


Eine weitere Eigenschaft der Druckluft, die
Speicherung von Energie, nutzte Ktesibios für sein Katapult. Das Katapult des Griechen erzeugte mit Hilfe der in einem Zylinder zusammengepreßten Luft eine Spannung, die Geschosse fortschleuderte.




Bild 1.4: Die Tempeltüren des Heron
Tempeltüren
Ausdehnung und Verrichtung von Arbeit


Der im ersten Jahrhundert n.Chr. in Alexandria lebende Mechaniker Heron verstand es, die Türen eines Tempels automatisch zu öffnen, solange das Feuer auf dem Altar im Inneren des Gebäudes brannte. Das Geheimnis bestand in der
Ausdehnung von Heißluft zurVerdrängung von Wasser aus einem Behälter in einen anderen. Die Möglichkeit zur Verrichtung von Arbeit durch Änderung des Luftzustandes wurde von Heron zumindest unbewußt erkannt.




Bild 1.5: Druckluft als Kraftverstärker
Das Blaise Pascalsche Gesetz
Kraftverstärkung

Erst im 17.Jahrhundert beschäftigten sich eine Reihe von Gelehrten mit den Gesetzmäßigkeiten der Druckluftanwendung. 1663 veröffentlichte Blaise Pascal seine Erkenntnis der
Kraftverstärkung durch Flüssigkeiten (Hydraulik), die sich auch auf die Drucklufttechnologie anwenden ließ. Er stellte fest, daß die an einer Öffnung eines geschlossenen Wasserbehälters aufgegebene Kraft eines Mannes an einer anderen Öffnung mit hundertfacher Größe die Kraft von 100 Männern erzeugte.





Bild 1.6: Druckluft als Transportmittel
Transport von Körpern durch Rohre
Pneumatisches Fördern

Anknüpfend an Heron beschrieb der französische Physiker Denis Papin im Jahre 1667 die Möglichkeit, Körper durch Rohre zu transportieren. Er nutzte die geringe Druckdifferenz in einem Rohr aus. Dabei stellte er fest, daß an einem in diesem Rohr befindlichen Körper Kräfte erzeugt wurden. Hierdurch war der Einsatzvorteil hoher Arbeitsgeschwindigkeiten durch Luft erkannt. Papin legte hiermit den Grundstein zur
pneumatischen Fördertechnik.




Bild 1.7: Pneumatische Bremsen
in einer Eisenbahn um 1870
Pneumatische Bremsen
Kraftübertragung

Mit Druckluft wurden bereits um 1810 Eisenbahnen angetrieben. 1869 stellte Westinghouse seine pneumatische Überdruckbremse vor. Drei Jahre später folgte sein Bremslüfter. Bei diesem System wurden die Bremsen
durch Überdruck gelöst. D.h., daß bei Ausfall des Drucks, z.B. durch Platzen eines Schlauches, die volle Bremswirkung erzielt wird.
Die Möglichkeit des Fail-Safe-Verhaltens wurde hier erstmals ausgenutzt.


Ein Bremssystem auf dieser Grundlage wird auch heute noch als LKW-Bremse verwendet.

Rohrpost
Fördern mit Druckluft


Die Idee der mit Druckluft angetriebenen Eisenbahnen wurde nicht vergessen. 1863 richtete Latimer Clark zusammen mit dem Ingenieur Rammel eine kleine pneumatische Eisenbahn in London ein. Die kleinenWagen fuhren komplett in einer Treibröhre. Sie waren zur Beförderung von Postbeuteln und Paketen bestimmt. Diese Bahn war wesentlich wendiger als die schweren atmosphärischen Eisenbahnen von 1810. Das führte schließlich zur Entstehung der Rohrpost.


In der Folge entstanden Rohrpostnetze in Berlin, New York und Paris. Das Pariser Netz erreichte 1934 mit 437 km seine größte Ausdehnung. Auch heute findet man noch die Rohrpost in größeren Industriebetrieben.




Bild 1.8: Druckluftbohrer beim Tunnelbau
Druckluftwerkzeuge
Transportieren von Energie


Beim Tunnelbau durch den Mont Cenis im Jahre 1857 nutzte man die neue Technik eines druckgetriebenen Bohrhammers für die Bearbeitung des Gesteins. Ab 1861 setzte man Stoßbohrmaschinen mit pneumatischem Antrieb beim Vortrieb des Tunnels ein, die von Kompressoren an den beiden Tunneleingängen mit Druckluft versorgt wurden. In beiden Fällen wurde die Druckluft über weite Strecken transportiert.


Als 1871 der Tunneldurchbruch erfolgte, lagen von beiden Seiten über 7000m Rohrleitungen. Somit wurde zum ersten Mal die Transportierbarkeit von Energie als Einsatzvorteil der Druckluft einer breiten Öffentlichkeit nachgewiesen und bekannt gemacht. Hieraus entstanden immer leistungsfähigere und vielseitiger einsetzbare Druckluftwerkzeuge.




Bild 1.9: Druckluftstation in Paris 1888
Druckluftnetze
Zentrale Drucklufterzeugung und Signalübertragung


Die Erfahrung bei der Handhabung von Druckluft-Leitungsnetzen und die Entwicklung leistungsfähigerer Kompressoren führte dazu, daß Paris ein Druckluftnetz in den Abwasserkanälen erhielt. 1888 wurde es mit einer
zentralen Kompressorleistung von 1500 kW in Betrieb genommen. Im Jahr 1891 betrug die installierte Leistung bereits 18000 kW.

Der umgreifende Erfolg des Druckluftnetztes begründete sich unter anderem in der Erfindung einer Uhr, welche jede Minute durch einen Impuls aus der Kompressorstation gestellt wurde. Man erkannte damals nicht nur die Möglichkeit der Transportierbarkeit von Energie, sondern auch von Signalen über große Entfernungen eines Druckluftnetzes.

Das Pariser Druckluftnetz ist bis heute einzigartig und noch immer in Betrieb.




Bild 1.10: Vierstufiges Addierwerk
mit Wandstrahlelementen
Signalverarbeitung
Druckluft zur Signalübertragung und -Verarbeitung


In den 50er Jahren unseres Jahrhunderts entdeckte man in den USA die hohe Strömungsgeschwindigkeit der Druckluft für die Signalverarbeitung und die Signalübertragung.
Die Niedrigstdruckpneumatik, auch Fluidik oder Pneumonik (Pneumatische Logik) genannt, erlaubt mit Drücken von 1,001 bis 1,1 bar die Integration von logischen Schaltfunktionen in Form von strömungsmechanischen Elementen auf kleinstem Raum.

Die hohe Betriebssicherheit der fluidischen Logikelemente unter extremen Umweltbedingungen, erlaubte ihren Einsatz in der Raumfahrt- und Wehrtechnik der USA und der UdSSR. Speziell ihre Immunität gegenüber der elektromagnetischen Strahlung explodierender Atombomben verschafft der Fluidik Einsatzvorteile in einigen sensiblen Bereichen.


Dennoch wurde die Fluidik in den Bereichen der Signal und Informationsverarbeitung im Laufe der Zeit weitgehend von der Elektrotechnik und Mikroelektronik verdrängt.